Aus Steinbusch, Jakob (1974): Aus alten Akten und Urkunden, 1104-1974. Verlagsbuchhandlung Josef Essers, Herzogenrath, ISBN 3-921128-02-1.
„Zwischenfälle“ bei den Herzogenrather Bogenschützen!
Die Herzogenrather St. Sebastiani Armbrustschützengilde, deren Gründung auf das Jahr 1250 n. Chr. angesetzt wird, ist wohl die älteste Schützengilde Deutschlands. Ihr Werden und Wirken hing immer eng mit der Kirche zusammen. Es dürfte deshalb nicht unbillig sein, sie auch in diesem Heimatheft in zwei Ereignissen kurz zu Wort kommen zu lassen, zumal in unserem alten Burgstädtchen seit jeher Schützenfeste sehr beliebt waren und stets ein Höhepunkt in seiner schicksalhaft-abwechslungsreichen Geschichte bildeten. Selbst hochgestellte Persönlichkeiten waren häufig bei diesen Treffen Ehrengäste der Stadt. So weilte zum Beispiel im Sommer 1622 n. Chr. die spanische Infantin Isabella Clara zu Besuch auf der Herzogenrather Burg just an dem Sonntag, an dem unsere Schützen eben den großen traditionellen Vogelschuss abhielten. Der Schießplatz lag damals nicht – wie heute – am Fuchsberg, sondern in der Nähe der Burg. Die spanische Prinzessin zeigte großes Vergnügen, sich den Vogelschuss aus unmittelbarer Nähe anzuschauen. Die Schützengilde war sich der ihr dadurch angetanenen Ehre wohl bewusst und marschierte stramm in Reih` und Glied an ihrer Gönnerin vorbei. Namentlich der Fähnrich wollte ganz besonders seine Kunst zeigen und begann, aus Leibeskräften vor der Infantin seine Fahne zu schwenken. In seinem Übereifer übersah dabei einen in der Nähe stehenden Dornstrauch, und die Fahne bekam einen bedenklichen Riss. Ratlos stand der „tapfere“ Schütze vor der königlichen Hoheit da und wusste sich in seiner Verlegenheit nicht zu helfen. Doch die spanische Durchlaucht hatte Mitleid mit ihm, bedauerte außerordentlich den Vorfall und schenkte der Schützengilde eine neue Fahne, die die Herzogenrather Schützengesellschaft jahrhundertelang sorgsam verwahrt.
Ein anderes Ereignis, dessen Ausgang nicht von vorneherein eine derartige glückliche Wendung nahm, berichten uns die Quellen unserer Herzogenrather Heimatgeschichte. Die Schützengesellschaft, die sich zu ihrem Schutzpatron den hl. Sebastian erkoren hatte, besaß in der alten Herzogenrather Pfarrkirche einen eigenen Altar, geschmückt mit einem lebensgroßen Standbild dieses Heiligen. Nun war es uralter Brauch, dass die Schützen nach dem Vogelschuss ihren neuen König zuerst in die Kirche geleiteten, um dann am Altar des hl. Sebastian das „Te Deum“ anzustimmen, worauf der Pfarrer den Segen erteilte. So war es seit Menschengedenken gewesen, und so geschah es auch im Jahre 1686. Echte Schützenbrüder der alten Zeit liebten nun nicht nur einen guten Schuss, sondern – man kann das ohne Übertreibung wohl auch für die heutigen Verhältnisse noch sagen – auch einen kühlen Trunk. So kam es denn, dass der damalige Pfarrherr Aegidius Braumanns feststellte, dass einige ehrbare Schützenbrüder schon in der Kirche bedenklich schwankten, beim „Te Deum“ ganz falsche Töne sangen und die sonst so mustergültige, stramme Ordnung und Haltung durchaus vermissen ließen. Er sagte nichts, wollte jedoch diesem Zustand ein Ende bereiten. Als die Schützen nämlich im folgenden Jahr nun wieder vom Vogelschuss zur Kirche zogen, staunten sie; denn das Gotteshaus war geschlossen, und das Standbild des hl. Sebastian stand vor dem Portal. Sollte das „Te Deum“ etwa draußen gesungen werden? Kurz entschlossen hoben sie die Statue auf ihre Schultern und brachten sie in ihr Schützenheim. Doch damit betrachteten die tapferen Schützen keineswegs diese Angelegenheit als erledigt. Hier fühlten Sie uraltes Recht verletzt, heilige Tradition missachtet! Gebräuche außer Kraft gesetzt, die nicht geschmälert werden durften! Zugegeben, dass etliche von ihnen im vorigen Jahr eine Haltung gezeigt hatten, die nicht ganz mit ihren Satzungen in Einklang zu bringen war, so durfte man doch nach der Auffassung eines wirklichen, echten Schützenbruders ein derartiges, altes Gewohnheitsrecht, das von den Vorfahren übernommen war, nicht verletzen! So beschloss man dann, sich höheren Orts zu beschweren, und zwar gleich an höchster Stelle: an König Karl II. von Spanien, der immer eine besondere Vorliebe für die Herzogenrather Schützengesellschaft gezeigt hatte. Die Eingabe hatte dann auch den gewünschten Erfolg. Die Gilde erhielt im Juni 1688 einen auf Pergament geschriebenen Befehl des Königs, der besagte, „dass die Schützen bei ihrer alten Gewohnheit geschützt werden sollten, auch wenn sie einmal…“
Königlicher Großmut und königliche Einsicht hatten damit Verständnis für menschliche Schwächen der Herzogenrather Schützenbrüder bewiesen.